Historisch korrekt?

Oder: Wie viel Historizität ist alltagstauglich

Eins der Themen, die uns immer wieder begegnen, ist die Frage nach der Authentizität unserer Darstellung. So einfach, wie diese Frage auf den Blick scheint, so komplex ist die Antwort.

Zunächst zu den Fakten:

  • Es gibt für das Mittelalter insgesamt eine recht rare Quellenlage, natürlich abhängig von Zeit und Ort. Hinzu kommt, dass jede Quelle immer aus einem Grund, mit einer Intention und für einen Adressaten verfasst wurde – sie sind also niemals neutrale Informationen, denen man ungehindert ihrer Verfassungskontexte uneingeschränkt vertrauen kann.
  • Der mittelalterliche Chronist war zumeist Mönch und als solcher zum einen einem Herrn verpflichtet (und natürlich Gott) und zum anderen oft recht weit abseits der Lebenswirklichkeit des Volkes – was er also wahrgenommen hat, muss nicht unbedingt "wirklich" gewesen sein.
  • Der mitterliche Chronist idealisiert oder verteufelt, je nachdem, ob er über Freund (zum Beispiel Gönner) oder Feind (zum Beispiel Nicht-Christen) berichtet.
  • Unsere Epoche ist das 12. Jahrhundert, eine, über die zwar geschrieben wurde, aber kaum über Heerlager, das einfache Volk oder gar Frauen. Die Informations- und Quellenlage ist also dünn.
  • Jede Darstellung ist immer Interpretation. Niemand liest einen Text völlig neutral, wir alle sind beeinflusst von unseren Wissens- und Bildungsstand, unserer gesellschaftlichen/sozialen Prägung und unserer Herkunft. Jeder Text hat also für jede Person eine andere Lesart, und sei es in den Nuancen.

Fazit: Wir wissen nichts gesichert. Wissenschaftler sowie auch Darsteller historischer Epochen arbeiten immer mit Wahrscheinlichkeiten und Vergleichen. Authentizität ist also niemals zu erreichen, niemand von uns war selbst im Mittelalter und kann zweifelsfrei belegen, wie die Menschen dort gegessen, gelebt und gekämpft haben, wie sie gekleidet waren und dergleichen (und selbst dann wäre es immer noch Interpretation). Anhand von Schriften, Abbildungen oder archäologischen Funden kann man belegen, was es definitiv gegeben hat (beispielsweise nadelgebundene Kleidung), aber man kann nicht belegen, was es nicht gegeben hat (z.B. Steckstühle oder gestrickte Kleidung) – vielleicht hat es sie gegeben, es hat sie bloß niemand aufgemalt oder über sie geschrieben und ihre Überreste sind nicht erhalten geblieben (Gestricktes beispielsweise lässt sich im Unterschied zu Nadelgebundenem immer wieder auftrennen und zu Neuem verarbeiten).

Das heißt natürlich nicht, dass man machen oder behaupten kann, was möchte – es gibt durchaus sicheres Wissen, so zum Beispiel dieses, dass die Kartoffel erst nach dem Mittelalter nach Europa kam oder dass der mittelalterliche Mensch nicht aus Plastikflaschen getrunken hat.

Wir haben uns lange und intensiv mit dem Thema Authentizität auseinandergesetzt (schon ganz berufsbedingt, denn zwei unserer Mitglieder haben Geschichte studiert) und sind zu dem Schluss gekommen, dass man sie niemals erreichen kann, egal wieviel Mühe man sich gibt. Es gibt die Möglichkeit, sich strikt an Überlieferungen zu halten und nur das zu verwenden, was in Texten oder Bildern aus dem Mittelalter belegt ist. Aber spätestens bei den Themen, zu denen es keine Aufzeichnungen gibt – beispielsweise die Kleidung einer Magd auf einem Heerlager im 12. Jahrhundert – wird es schon zu Spekulation. Dementsprechend arbeiten wir mit Wahrscheinlichkeiten und auch Realismus: wir sind heute nicht mehr im Mittelalter und wir betreiben das Heerlagern nur als Hobby. Es ist uns zeitlich, finanziell und logistisch unmöglich, alles so authentisch wie möglich zu halten (dann müsste man konsequenterweise auch mit Pferden und Karren anreisen) und wir wollen von der Authentizitätsfrage nicht erstickt oder aufgefressen werden. Es soll in erster Linie Spaß machen!

Welche Probleme und Fragen dennoch unweigerlich auftreten und wie wir sie für uns gelöst haben, erfahrt ihr auf den nächsten Seiten!